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Über ihr Werk

Fanny Hensel hinterließ rund 450 Kompositionen: Klavierstücke, Solo- und Chorlieder, geistliche und weltliche Kantaten, Kammermusik und eine Orchesterouvertüre. Nur wenige Werke erschienen zu ihren Lebzeiten oder kurz nach ihrem Tod (op. 1-11). Fast alle dieser Kompositionen sind in autographen Sammelbänden, eigenhändigen Reinschriften, Albumblättern und Abschriften überliefert. Diese Manuskripte werden zum überwiegenden Teil im Mendelssohn Archiv der Staatsbibliothek zu Berlin-Preußischer Kulturbesitz aufbewahrt.

Für die Werke Fanny Hensels interessierte sich 130 Jahre lang niemand, was eigentlich kein Grund sein müsste, sich plötzlich mit ihrer Veröffentlichung zu beeilen. Aber die Frage nach vergessenen Kulturleistungen von Frauen war Ende der 1970er Jahre vehement: Undenkbar, sich jetzt in Geduld zu üben, nachdem doch schon so viel Zeit verloren war. Dass Fanny Hensel von dem Wunsch zu veröffentlichen beseelt war, wurde schnell erkannt und als Appell begriffen, ihr diesen Wunsch posthum zu erfüllen. Und nun sind viele ihrer Werke publiziert, was sicher nicht der Fall wäre, wenn nicht PionierInnen wie Barbara Heller und Elke Mascha Blankenburg sowie nachfolgend weitere HerausgeberInnen, InterpretInnen und Verlage gewesen wären, die Fanny Hensel in die Öffentlichkeit gebracht haben.

In dem hier folgenden Werkverzeichnis sind alle Werke Fanny Hensels aufgeführt, die im Furore Verlag publiziert sind. Furore begann im Jahre 1987 mit der erstmaligen Veröffentlichung ihrer Klavier- und Kammermusik sowie der Werke mit größerer Besetzung. Später kamen dann auch Lieder, Duette und Terzette hinzu sowie ausgewählte Bearbeitungen.

Das komplette Werkverzeichnis Fanny Hensels finden Sie bei Renate Hellwig-Unruh: Fanny Hensel: Thematisches Verzeichnis der Kompositionen, Adliswil, 2000

Die im Mendelssohn Archiv aufbewahrten Kompositionen finden Sie bei Hans-Günter Klein (Hg.): Die Kompositionen Fanny Hensels in Autographen und Abschriften aus dem Besitz der Staatsbibliothek zu Berlin-Preußischer Kulturbesitz, Tutzing 1995

Über die Edition von Werken Fanny Hensels:
„Die Frage nach Fanny Hensels Werk löst eine Fülle von Überlegungen aus, die den Rahmen üblicher Editionsproblematik sprengen und die für die Wissenschaft eine interessante Herausforderung in sich bergen. Denn jede posthume Veröffentlichung ist mit der Konstruktion einer Werkgestalt verbunden, die durch die Komponistin selber nicht autorisiert ist. Das zwingt uns z.B., über unseren Werkbegriff, über Autorschaft, die Bedeutung von Entstehungs- und Aufführungsbedingungen für ihre Werke, der Adressierung ihrer Musik etc. neu nachzudenken.“
B. Borchard, 1997, S. XII)

Über die Kammermusik:
Die Kammermusikwerke Fanny Hensels verteilen sich über ihre gesamte Schaffenszeit von 1822 bis 1847. Als erstes entstand 1822 das Klavierquartett, noch im Stadium der musikalischen Lehrlingszeit und möglicherweise als von Zelter angeregte Kompositionsaufgabe, klavierorientiert (ist da eine Anspielung auf Moscheles und andere Virtuosen?). 1823 folgt ein Adagio für Violine und Klavier, ein kurzes Variationenstück. Vermutlich 1829 widmet sie dem Bruder Paul zwei Cellokompositionen (will sie ihn necken, oder warum jagt sie ihn mal hoch, mal tief?). Beim Streichquartett von 1834 geht es ihr um etwas Großes, sie investiert ihre ganze gestalterische Kraft, noch heute ist sie zu fühlen, das Werk gelingt; hier ist sie einen eigenen Weg gegangen, hat Kompositionsprinzipien aufgestellt und Territorialgesetze (sich als Frau mit einem Kammermusikwerk in die Kompositionsgeschichte einzuschreiben) negiert, mit Felix gekämpft. Am Ende dann, 1847, komponiert sie als eines ihrer letzten Wer ke das Klaviertrio op. 11, in welchem sich versöhnlich Widersprüche ihrer Existenz aufzulösen scheinen. Hier integriert sie das inzwischen umfassend zu eigen gewordene Modell „Lied” in die Kammermusik und bereitet das Werk für die Veröffentlichung vor.
Barbara Gabler

Über die „Bagatellen“:
„’Du schöne Hexe, immer bist du da, aber nie kann ich dich greifen‘. Mit diesem Bild schließt der Wissenschaftler und Pädagoge Diether de la Motte seine der Edition vorangestellte „Analyse des Musik-Erlebens“, seine persönliche Annäherung an die erste der beiden Bagatellen. Die ‚Unfassbare‘ ist hier die sanft fließende Melodie, die gleichsam ohne Anfang und Ende durch verschiedene Tonarten gleitet. Auch das zweite Stück bringt überraschende melodisch und harmonische Wendungen.
Beide Bagatellen schrieb die Komponistin für die Schüler des 1835 gegründeten Schindelmeiserschen Musik-Instituts, und folglich verzichtete sie für einmal auf virtuose Brillanz. Die kurzen, sehr transparent gesetzten Stücke eignen sich daher gut für den Unterricht, auch wenn sie bei sauberer Stimmführung nicht ganz ohne Tücken sind (im Schwierigkeitsgrad etwa mit den leichteren der Lieder ohne Worte von Bruder Felix vergleichbar).“
Schweizer Musikzeitung Animato Nr.4, 1995

Über die Lieder:
Fanny Hensel schrieb 249 klavierbegleitete Lieder. Nicht nur wegen der großen Anzahl ist es zutreffend, sie in erster Linie als Liedkomponistin anzusehen, sondern auch wegen der besonderen Bedeutung, die sie der textgebundenen Musik beimaß sowie des hohen Ranges, den ihre Lieder innerhalb der romantischen Liedproduktion insgesamt einnehmen. Das von Felix Mendelssohn erhobene Postulat, dass zum Beruf des Komponisten Kontinuität gehöre, nämlich stete Arbeit innerhalb einer Gattung als Voraussetzung für musikalische ‘Persönlichkeitsentwicklung’, ist in Fanny Hensels Liedschaffen erfüllt.

Goethe übergab Zelter das Gedicht Wenn ich mir in stiller Seele für Fanny, nachdem er erfahren hatte, dass Fanny sich über den Mangel an komponierbaren Texten beklagt hatte, mit den Worten: „Gieb das dem lieben Kinde.” (Karl Mendelssohn-Bartholdy, Goethe und Felix Mendelssohn, Leipzig (1871), S. 16)
Kaum ist Felix nach Weimar unterwegs, wird Fanny wie zufällig krank und greift zur Feder:
„… Wenn du zu Goethe kömmst, sperre Augen und Ohren auf, ich rathe es dir, u. kannst Du bei Deiner Rückkehr mir nicht jedes Wort aus seinem Munde wieder erzählen, so sind wir Freunde gewesen.“ Francoise Tillard, Die verkannte Schwester, 1994, S. 137

In seine Liedsammlung op. 8 hatte Felix einige Lieder von Fanny aufgenommen.
Dazu Victoria Sirota: „Von den Dreien (Suleika und Hatem, Das Heimweh, Italien) hatte Italien den größten Erfolg, und Felix schrieb zweimal, dass er zugeben musste, dass Fanny die Autorin sei, während er dafür gelobt worden sei.
Er schrieb Fanny am 11. Juni 1830: Gestern lobte mich eine gnädige Gräfin wegen meiner Lieder und meinte frageweise, ob nicht das von Grillparzer ganz entzückend sei? Ja, sagte ich, und sie hielt mich schon für unbescheiden, als ich alles erklärte, Dich als Verfasserin nannte und versprach, die Kompositionen, die du mir nächstens schicken würdest, in Gesellschaften gleich mitzutheilen. Wenn ich das thue, bin ich ein Pfefferkorn, ein Brauerpferd: Du schickst aber am Ende auch keine.“
Victoria Sirota, 1981, S. 25-26

„… unter tausend Dingen, die mir durch den Kopf gingen fiel mir auch das Grillparzersche Exempel ein, welches unmöglich in Musik zu setzen ist, weshalb es denn auch Fanny wunderschön componirt hat,“
Felix an Rebecka aus Neapel, 1831/ Sutermeister, Briefe S. 138

„Es ist zweifelhaft, dass Felix beabsichtigte, Lob für seines Schwesters Werke einzuheimsen. Es ist wahrscheinlicher, dass seit Abraham Fanny verbot, unter ihrem Namen zu publizieren, dies Felix Weg war, Fanny als Komponistin zu bestärken. Am 19. Juni 1842 schrieb er an Fanny bezüglich des Liedes, das Königin Victoria wählte für ihn zu singen: …und was wählte sie? ‚Schöner und schöner‘, sang es ganz allerliebst rein, streng im Takt und recht nett im Vortrag; nur wenn es nach ‚der Prosa Last und Müh‘ nach d runter geht und harmonisch heraufkommt, gerieth sie beide Male nach dis, und weil ich’s ihr beide Male angab, nahm sie das letzte Mal richtig d, wo es freilich hätte dis sein müssen. Aber bis auf dies Versehen war es wirklich allerliebst und das letzte g habe ich von keiner Dilettantin besser und reiner und natürlicher gehört. Nun mußte ich bekennen, daß Fanny das Lied gemacht hatte (eigentlich kam es mir schwer an, aber Hoffahrt will Zwang leiden) und sie bitten, mir auch eins von den wirklich Meinigen zu singen.“
Victoria Sirota, 1981, S. 25f.

Über das „Fest der Heiligen Caecilia“
Fanny Hensel berichtete ihrem Bruder Felix:
„Ich habe einen Versett aus der Messe der heiligen Cäcilia, von der Dir Mutter wahrscheinlich ein Textblatt mitgeschickt hat, in 2 Tagen componirt, in solcher Eil, daß die Begleitstimme bis heut noch nicht aufgeschrieben ist. Das Ganze war als doppelte Überraschung eingerichtet, denn erst sah man die Decker, ohne, daß sie sang, dann sang sie einige Töne ungesehn, u. zuletzt sang sie als wirklich lebendes Bild, natürlich auswendig, was eine zauberisch schöne Wirkung gemacht haben soll.“
Marcia J. Citron: The letters of Fanny Hensel to Felix Mendelssohn, 1987, Brief Nr. 48 vom 23.11.1833